„Die Quarantäne ist wie ein Gefängnis zu Hause. Aber als Frau bin ich schon mein ganzes Leben in Quarantäne gewesen. Als Studentin durfte ich nicht ausgehen. Es spielte keine Rolle, ob das Wetter kalt oder heiß war, wir Frauen sollten zu Hause bleiben. Später, als ich heiratete, war es genauso. Um ehrlich zu sein, bemerke ich kaum einen Unterschied zur Corona-Quarantäne. Ich darf nicht ins Kino, nicht ins Theater, nicht in die Taverne oder zu Freunden Nachhause. Na und? Für mich war es nie anders.“

Efi Pisimisi Mpitha (Athen/Griechenland)

In dem dokumentarischen Projekt WALTRAUD GEHT SPAZIEREN wurden Seniorinnen, die durch ihr Frausein im 20. Jahrhundert weitestgehend unsichtbar geblieben sind, während der Corona-Pandemie filmisch begleitet. Der Ausbruch der Pandemie 2020 wirkte wie ein Brennglas auf diese Unsichtbarkeit, denn die Generation, die am meisten vor dem Virus geschützt werden sollte, wurde hermetisch abgeriegelt und dadurch noch unsichtbarer als vorher.

„Seit März hatte ich zweimal Besuch. Ich war eigentlich trotzdem immer heiter, nicht depressiv oder so… aber ich hab so viel Fernsehen geguckt, dass ich fast einen viereckigen Kopp hatte. Dann bin ich runter und hab im Garten gearbeitet. Als ich mich von meinem Mann getrennt habe, da war da auch so eine Einsamkeit, wo ich keinen an mich rangelassen hab… da bin ich auch immer in den Garten gegangen.“

Lisa Pohl (Düsseldorf/Deutschland)

Die 83jährige Lisa Pohl aus Düsseldorf, die 67jährige Ledis Arroyo aus Barinas/Venezuela und die 94jährige Efi Pisimisi Mpitha aus Athen wurden zwischen September 2020 und September 2021 immer wieder von den Filmemacherinnen besucht und erzählen von ihrem Alltag. Sie leben allein, im Kontakt mit ihren jeweiligen Familien, und erleben die Pandemie weitestgehend von Zuhause aus.

Das Eingeschlossen sein, die Quarantänebedingungen, die Kontaktbeschränkungen, mit denen die Frauen zu kämpfen hatten, waren Ausgangspunkt für die Gespräche, blieben aber nicht ihr einziges Thema, sondern dienten lediglich als Anknüpfungspunkt. Denn gleichzeitig interessierte die Filmemacherinnen die Parallelen und Unterschiede zu den Leben, die die Frauen vorher geführt hatten.

Dabei untersuchte waltraud900 anhand ihrer Protagonistinnen Frauenbilder des 20. Jahrhunderts in unterschiedlichen Teilen der Erde in unterschiedlichen politischen Systemen und Religionsgemeinschaften. Die sozialen und gesellschaftlichen Prägungen, die die Protagonistinnen erfahren haben, wurden auf Unterschiede und Schnittstellen untersucht. Die Filmemacherinnen stellen den Frauen und damit auch sich selbst und den Zuschauer*innen die Frage: Wie bist du die Frau geworden, als die du mir heute gegenübersitzt?

Parallel recherchierten die Künstlerinnen mit Hilfe internationaler Kolleginnen zu den gleichen Fragen weltweit und zeichneten über drei Kontinente hinweg kurze Begegnungen via Handyvideo auf. Aus dem Material wurden zwei Dokumentarfilme erarbeitet, ΣΤΟ ΣΠΙΤΙ / AT HOME und LISA, in denen die Großmütter unserer Welt, deren Geschichten und Situationen sichtbar gemacht werden.